9. Kapitel 7

Zu dieser Zeit ereignete sich ein ganz unvergessliches Ereignis: der Brand von Glarus: am Abend des Brandtages erhielt ich von Landammann Heer von Glarus ein Telegramm auf mein Liquidationsbureau in Bern: Ich möchte sofort mit Herrn Oberst Wolf, Architekt in Zürich, nach Glarus kommen. Am andern Tag waren wir schon auf der grossen Brandstätte. Diese bot einen schauerlichen Anblick, und eine fast unerträgliche Hitze entströmte ihr. Nach kurzer Besprechung mit den Behörden machten wir uns auftragsgemäss ans Niederschiessen der hohen Brandmauern und des Kirchturms; er stand schief, zum Niedersturz drohend. Diese Operation, welche die persönliche Sicherheit gebot, dauerte zwei Tage, während welcher das Publikum von der Brandstätte ausgeschlossen blieb. Dann, auf unseren Antrag, beauftragte uns die Behörde, Katastermessungen vom alten Glarus zu machen, behufs Planierung des neuen Glarus. Ich telegraphierte Ingenieur Fierz, der noch im Dienste der Ost-West-Bahn stand, sofort nach Glarus zu kommen. Er langte noch am gleichen Tag an und wurde auf meinen Vorschlag als Stadtingenieur in Glarus angestellt.
Dank dem freundlichen Verhandeln des Herrn Fierz mit den Bodeneigentümern und der Unterstützung des Gemeindevorstands, Herrn Präsident Dr. Tschudi, gelang es in kurzer Zeit, den Katasterplan vom alten Glarus ohne Prozesse zu präsentieren.
Wir machten uns dann sofort an den neuen Stadtplan. Ich skizzierte denselben im Einverständnis mit Oberst Wolf nach einigen Tagen eifrigen Studiums, und Herr Ingenieur Fierz brachte die Skizze ins Reine. Der schön und gut ausgearbeitete Plan wurde von der ersten Stadt- und Staatsbehörde genehmigt, ebenso das von uns vorgelegte Baureglement.
Es folgte dann die Frage der Erstellung der Pläne für den Wiederaufbau des Rathauses, des Gerichtsgebäudes und der Kirche. Für den ersten Bau wurde ich bestimmt, für den zweiten Oberst Wolf und für die Kirche Stadler aus Zürich. Nach eingereichten Voranschlägen schritt man zur Ausführung der Bauten, vorab des Rathauses. Ich hatte mich mit Rücksicht auf die traurige Lage verpflichtet, die Bauten vom Stadthaus zum Preis des Voranschlages auszuführen und zu übernehmen. Für diese Bauten hatte ich als Gehilfen Ingenieur Lorenz genommen. Rasch und zur allgemeinen Zufriedenheit schritten die Arbeiten voran. Wegen des Kirchenbaues machten sich Architekt Stadler und die Kirchenbehörde an meinen Gehilfen, er möchte mich doch bestimmen, die Kirche in Höhe der Summe des Voranschlages fertig zu stellen. Lorenz schrieb mir diesbezüglich in empfehlendem Sinne nach St. Gallen. Ich verfügte mich nach Glarus und studierte die Pläne und ihre Details, machte meine Berechnungen, unterhandelte mit der Kirchenbehörde und Architekt Stadler, der die Übernahme sehr wünsche. Schliesslich musste ich als Glarner dem allgemeinen Wunsch entsprechen. Die diesbezüglichen Verträge wurden gegenseitig gefertigt. Die Leitung der Arbeiten übergab ich ebenfalls Lorenz. Die genannten beiden Bauten wurden vertragsmässig und zur allgemeinen Zufriedenheit rechtzeitig vollendet.
Die Gerichtshausbauten wurden unter Oberleitung von Herrn Wolf verschiedenen Bauakkordenten vergeben; aber mit diesem Gerichtsbau hat die Regierung nach vielen Jahren fatale Geschichten erlebt.
Im Herbst 1888 wurde ich nämlich von der Regierung zu einer Expertise dieses Baues eingeladen. Diese dauerte mehrere Tage und ergab, dass das ganze grosse Gerichtshaus auf Pfählen aufgebaut war, die in den aufgefüllten Boden eingeschlagen und dann mit Wolfsplatten überdeckt wurden. Das Gebäude war sozusagen in der Luft, denn die Pfähle waren angefault und das Gebäude in allen Ecken und Enden zerrissen und einzelne Teile dem Einsturz nahe. Fachmänner waren der Ansicht, man müsse das Gebäude total abbrechen und neu aufbauen, was Glarus in grosse Bestürzung versetzte. Ich teilte diese Ansicht nicht und schlug anderes vor. Die Regierung beauftragte mich sogleich, die vorgeschlagenen Hilfsarbeiten sofort zu beginnen. Die Anstalten hierfür wurden rasch gemacht, die obenerwähnten Wolfsplatten (in der Längsrichtung wurden je drei davon unterfangen) 4-5 Meter tief bis auf den Grund und 2-3 Meter breit ausgegraben, die Pfähle, die sämtlich faul waren, beseitigt und der Raum dann mit gutem Beton bis zu den fraglichen Platten ausgefüllt und ausgegossen. So ging es weiter, bis sämtliche inneren und äusseren Mauern des Gerichtshauses mit Ausnahme des gesunden nord-östlichen Flügels mit neu erstellten Betonfundamenten in Sicherheit gebracht waren. Das war eine schwierige und sehr gefährliche Arbeit, aber von ganzem Erfolg begleitet. In Erinnerung an diese erfolgreiche Arbeit sandte mir die hohe Regierung ein Anerkennungsschreiben und legte als ihren besonderen Dank einen silbernen Becher bei. Hiermit sind meine architektonischen Arbeiten in Glarus glücklich abgeschlossen.
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