10. Kapitel 8

Im Jahre 1860 wurde ich in St. Gallen in den Gemeinderat und dann in die städtische Baukommission und Spitalkommission gewählt. Meine sechsjährige Amtstätigkeit bestand hauptsächlich darin, althergebrachte bauliche Missstände beseitigen zu helfen, z.B. die alte Fleisch- und Kornhalle, die den schönen Marktplatz von St. Gallen verunstaltete, dann das Stadt- und Platztor und ferner die baufälligen Archiv- und Gefängnistürme des alten Stadthauses. Ich gelangte dazu, diese alten Bauobjekte abzutragen. Die Fleischverkaufshalle wurde in das sogenannte Tuchhaus verlegt, und eine neue Kornhalle wurde beim Bahnhof erstellt, Dann verlangte ich bessere Organisation im Bauwesen. Stadtbaumeister wurde auf meinen Vorschlag der sehr tüchtige Ingenieur Fierz, damals noch in Glarus, gewählt. Alsdann wurde der von mir verlangte Katasterplan der Stadt St. Gallen erstellt.
Das damals existierende sogenannte Fremdenspital war seinerzeit ein gewöhnliches, hölzernes Bauerhaus gewesen und entsprach den Zeitanforderungen nicht mehr. Mit den Herren Doktoren Steinlin und Wägelin suchten wir vereint den Gemeinderat zu überzeugen, dass der Bau eines städtischen Krankenhauses ein wirkliches Bedürfnis sei. Der Gemeinderat sah das gut ein, aber das Geld fehlte. Doch der Anstoss war gegeben. Wir stellten nun Plan und Projekt auf und legten dies alles dem Gemeinderat vor, der unserer Bemühungen dankbar anerkannte, aber stets die Geldfrage stellte. Ich machte den Antrag - unterstützt vom Gemeindeammann und einigen Gruppen einflussreicher Männer der Stadt, an deren Spitze Herr Dekan Wirth sein sollte, - Subskriptionen für freiwillige Beiträge zu sammeln, was dann auch schliesslich beschlossen wurde. Die freiwilligen Beiträge erreichten schon in 8 Tagen die Summe von 150.000 Franken, was unsere kühnsten Erwartungen übertroffen hat, dank den erwähnten einflussreichen Männern. Dieser Betrag, vereint mit dem Fremdenspitalvermögen, brachte uns der praktischen Lösung der Frage näher, und wir durften solche nun sicher erhoffen. Dies sei zur Ehre der städtischen Opferwilligkeit erwähnt, die sich grossartig manifestierte.
Der Gemeinderat beschloss vorerst, Herrn Dr. Wägelin und mich zum Besuche der bestbekannten Spitäler und Krankenhäuser, auch des Auslands, zu entsenden. Nach unserer Rückkehr vervollständigten wir das erste Projekt mit den von uns gemachten Erfahrungen. Dieses wurde vom Gemeinderat genehmigt, und sofort schritt ich zur Ausführung desselben. Nach zwei Jahren konnte das Gemeindekrankenhaus zur allgemeinen Zufriedenheit bezogen werden. Damit hatten wir, Dr. Wägelin und ich - Dr. Steinlin war leider nicht mehr am Leben -, die grosse Genugtuung der Bevölkerung der Stadt St. Gallen, namentlich der edlen Frau Fehr-Clausen sel., welche die Kinderbteilung schön und ganz auf eigene Kosten eingerichtet hat. Der Geist, der da sagt: «Geben ist besser als nehmen« , ist in Vadians Stadt immer noch lebendig.
Zurück Weiter